„FGM umfasst alle Verfahren, die die teilweise oder vollständige Entfernung der weiblichen äußeren Genitalien oder deren Verletzung zum Ziel haben, sei es aus kulturellen oder anderen nichttherapeutischen Gründen“ (WHO, 1998).
(Engl.: „Female genital mutilation comprises all procedures involving partial or total removal of the external female genitalia or other injury to the female genital organs whether for cultural or other non-therapeutic reasons“).
Die WHO unterscheidet 4 Typen von FGM/C (neueste Fassung 2008 des UN-Interagency Statement „Eliminating FGM“):
Typ I Clitoridektomie: Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und/oder der Klitorisvorhaut
a Entfernung der Klitorisvorhaut
b Entfernung der Klitoris und der Klitorisvorhaut
Typ II Exzision: Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und der kleinen Schamlippen, mit oder ohne Entfernung der großen Schamlippen
a Entfernung der inneren Schamlippen
b Partielle oder vollständige Entfernung der äußeren Klitoris und inneren Schamlippen
c Partielle oder vollständige Entfernung der äußeren Klitoris sowie der inneren und äußeren Schamlippen
Typ III Die pharaonische Verstümmelung oder Infibulation: Verengung der Vaginalöffnung mit Herstellung eines bedeckenden, narbigen Hautverschlusses nach Entfernen der kleinen und/oder großen Schamlippen durch Zusammenheften oder -nähen der Wundränder, meistens mit Entfernung der Klitoris.
a Entfernen und Zusammennähen der inneren Schamlippen, mit oder ohne Entfernung der Klitoris
b Entfernen und Zusammennähen der äußeren Schamlippen, mit oder ohne Entfernung der Klitoris
Typ IV Alle anderen schädigenden Eingriffe, die die weiblichen Genitalien verletzen und keinem medizinischen Zweck dienen, zum Beispiel: Einstechen, Durchbohren, Einschneiden, Ausschaben, Ausbrennen oder Verätzen, Dehnen.
*Infibulation (lat. fibula = Spange) umfasst die Entfernung der gesamten großen und kleinen Labien und der Klitoris. Die äußeren Wundränder werden anschließend mit Dornen oder anderen lokalen Materialien zusammengefügt, sodass nach Abheilung eine glatte, vernarbte Hautplatte die Vagina bis auf eine winzige Öffnung (meist hinten) verschließt.
80% Typ I und II sind weltweit am weitesten verbreitet.
15% der überlebenden Frauen und Mädchen leben mit Typ III.
5% der Betroffenen sind von Typ IV betroffen.
Diese Klassifizierung ist nur eine grobe Annäherung an die vielen lokalen Variationen. Besonders in ländlichen Gebieten wird die Prozedur entsprechend der jeweils vorkommenden Tradition der Vorfahren ausgeführt.
FGM in Deutschland und Hamburg
In Deutschland leben laut der Studie von Integra 48.770 Überlebende der weiblichen Genitalverstümmelung und 9.322 bedrohte Mädchen
In 2011 lebten 11.200 Personen mit afrikanischem Hintergrund in Hamburg. 39% von ihnen kommen aus Familien, in denen der Brauch der Genitalverstümmelung weiter praktiziert wird. 30% der Frauen, die aus den praktizierenden Ländern kommen, sind beschnitten. 80% unterstützen das Aufgeben der weiblichen Beschneidung. 70% von ihnen glauben, dass FGM Vorteile mit sich bringt und 20% wollen das Verfahren weiterführen (Plan International e.V. 2011, S.7).
Unsere MultiplikatorenInnen, KünstlerInnen, Aktivistinnen, Imame und Pastoren setzen sich gegen Genitalverstümmelung (FGM/C) in den Gemeinden in Hamburg ein.
Kurzgeschichte zur FGM/C
Mündliche Überlieferungen und linguistische Untersuchungen weisen darauf hin, dass die weibliche Genitalverstümmelung schon ca. dreitausend Jahre vor Christus in Ägypten praktiziert wurde. Also lange vor den verschiedenen monotheistischen Religionen.
FGM/C: Ein weltweit verbreitetes Phänomen
Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein Phänomen, das weltweit praktiziert wird und zwar in Teilen Afrikas (in Regionen der Sahara und der Sahelzone), im Nahen und Mittleren Osten (Yemen, Oman, im kurdischen Teil Syriens, im Irak und Iran), aber auch in Teilen Russlands, in Dagestan, in Teilen Indiens, Indonesien, Malaysia, Thailand, bei bestimmten Bevölkerungsgruppen in Australien, in Neuseeland, in Teilen Westbrasiliens, Mexikos, Kolumbiens und Perus. FGM ist kein isoliert afrikanisches Phänomen, wie fälschlich behauptet wird, sondern ein weltweites Problem.
FGM/C weltweit
Laut eines Berichts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde die weibliche Genitalverstümmelung bei 200 Millionen Mädchen und Frauen weltweit verübt, vor allem im mittleren Bereich Afrikas, im Süden der Arabischen Halbinsel, in Mittelost und in Süd- und Südostasien sowie weiteren Gebieten. Nach Schätzung der WHO werden jährlich immer noch weitere 3 Millionen Mädchen genitalverstümmelt.
FGM/C in Europa
Durch die zunehmende Süd-Nord-Migration ist die weibliche Genitalverstümmelung heutzutage auch in vielen europäischen Staaten verbreitet. Heute leben mehr als 600.000 Überlebende der weiblichen Genitalverstümmelung aus unterschiedlichen Gegenden der Welt in den Ländern Europas. In Deutschland sind über 50.000 Frauen und Mädchen davon betroffen. Die meisten betroffenen Frauen leben in den großen Städten.
FGM/C verursacht kurzfristige und langfristige schwere physische und psychische Schäden bei Mädchen und Frauen, wie
· ständiger Schmerz
· wiederholte Infektionen, die zu Unfruchtbarkeit führen können
· übermäßige Blutungen, Keloidnarben und Zystenbildung
· Menstruationsprobleme
· Komplikationen während der Schwangerschaft und Entbindung, die zum Tod der Frau und/oder des Kindes führen können
· Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr
· Probleme beim Wasserlassen oder Inkontinenz
· Angst- und Depressionsgefühle
· Verlust des Selbstwertgefühls
Wir beraten betroffene Familien, betroffene Mädchen, einflussreiche Mitglieder, Organizer von betroffenen Communities sowie Flüchtlinge, Pastoren oder Imame, bzw. Multiplikatoren
Junge Aktivistinnen werden fortgebildet, um die junge Generationen gegen FGM/C zu sensibilisieren
Bei Interesse können Sie uns jeden Mittwoch von 9:00 – 13 Uhr erreichen.
Wir bieten Fortbildungen gegen weibliche Genitalverstümmelung für Institutionen und NGOs bundesweit an. Möchten Sie gerne mehr über transkulturellen Umgang, Umgang bei der Beratung oder Umgang bei Asylfragen betreffend weiblicher Genitalverstümmelung erfahren? Dann kontaktieren Sie uns.
info@lessan.eu